Öffentliche Räume als gesellschaftliche Prozesse
SKuOR ist ein Disziplinen übergreifend arbeitender horizontaler Arbeitsbereich, der Anknüpfungspunkte zwischen Stadtforschung und Stadtplanung und -gestaltung, zwischen Praxis und Theorie in den kombinierten Themengebieten Stadtkultur und öffentlicher Raum aufspürt. Mit Fachgrößen aus verschiedenen Disziplinen und Ländern wird zu ergründen versucht, wie öffentliche Räume als Vergesellschaftungsprozesse in der Stadt funktionieren. Diese ‚sedimentieren‘ baulich räumlich, etwa in Form gestalteter und geplanter Projekte, bei denen immer stärker auch stadtkulturelle Aspekte diverser Akteure mit unterschiedlichsten Interessen zum Tragen kommen. Um inhaltliche Inspirationen sowohl aus Planungstheorie und -praxis sowie aus Raumtheorie und Stadtforschung zu erhalten, hat man sich an der TU Wien auf Basis des Vorschlags von Assoc. Prof. Dr. Sabine Knierbein über ein inhaltliches Dreijahresprogramm verständigt:
Stadtkultur, öffentlicher Raum und Stadtgesellschaft – Zivilgesellschaft, Staat, Markt (2009-2011)
Stadtkultur, öffentlicher Raum und Stadtentwicklung – Ressourcen, Wissen, Lebensweisen (2012-2014)
Stadtkultur, öffentlicher Raum und die Bildung urbaner Experten – Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft (2015-2017)
Stadtkultur, öffentlicher Raum und Wohnen (2018)
Perspektivenvielfalt interdisziplinär, transdisziplinär und postdisziplinär
Damit soll als erster Prämisse der Komplexität der zwei Gegenstände – Stadtkultur und öffentlicher Raum – Rechnung getragen werden, schließlich sind öffentliche Räume nicht nur ein Feld verschiedener disziplinärer Perspektiven, sondern ebenfalls eine gesellschaftliche Sphäre des mannigfaltigen Ausdrucks und der Durchsetzung von Interessen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und auch Auseinandersetzungen mit Chancen bei gleichzeitiger Differenz und Distinktion der Akteure in öffentlichen Räumen, und die strukturellen Weichenstellungen, die Planer und Architektinnen hier vornehmen, veranschaulichen die Vielschichtigkeit des Gegenstands Stadtkultur. Denn an den Prozessen der kulturellen und sozialen Produktion öffentlicher Räume sind nahezu immer Akteure der Zivilgesellschaft, des Staats und der Märkte mit ganz unterschiedlichen Ressourcen, Wissensbeständen und Lebensweisen beteiligt. Diese Akteure und Institutionen wirken manches Mal direkt steuernd und gestaltend in den öffentlichen Raum, und beeinflussen damit als Stadtplanende, Stadtgestaltende und Stadtforschende Prozesse der materiellen und mentalen, der sozialen und kulturellen Raumproduktion systematisch und limitiert. Sie haben nur einen eingeschränkten Einfluss auf das tatsächliche kulturelle und soziale öffentliche Leben, dass sich in öffentlichen Räumen entfaltet. Ihr Wirkungsradius in öffentlichen Räumen wird von Einigen all zu oft überschätzt, wohingegen ihn Andere nahezu negieren. Es erscheint daher notwendig, auf der analytischen Ebene eine postdisziplinäre Herangehensweise zu finden, die es ermöglicht, Prozesse der Produktion von Stadtgestalt aus einem relationalen Raumverständnis zu verstehen, also eben jenen Brückenschlag zwischen Morphologie und gesellschaftlichen Prozessen zu vollziehen. Dazu ist die Perspektive auf öffentliche Räume im Sinne der oben bezeichneten Gratwanderung zwischen baulichem Ergebnis und gesellschaftlichen Produktionsprozessen zu schärfen. Mit dem Dreiklang „Interdisziplinär, Transdisziplinär, Postdisziplinär“ werden variierende Herangehensweisen der systematischen Anwendung von Perspektivenvielfalt – bereichsübergreifend innerhalb der Universität (inter-), zwischen Wissenschaft und Praxis (trans-) oder aus der Komplexität des Gegenstandes heraus (post-) – thematisiert. Denn es gilt, Wissen zu öffentlichen Räumen aus unterschiedlichen Bereichen entsprechend ihrer gesellschaftspolitischen Relevanz im Sinne des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts zu bündeln, zu schärfen und zu präzisieren.
Know Why und Know How
Eine zweite Prämisse der Arbeit des SKuOR ist die Kombination von Know Why (Theorie) mit Know How (Praxis). Denn die aus der sozialwissenschaftlichen Raumforschung generierten Erkenntnisse werden im Hinblick auf den Anwendungs- und Umsetzungsbezug mit Sichtweisen aus Raumplanung und Raumgestaltung konfrontiert, um zukünftigige Absolventinnen und Absolventen der Raumplanung und der Architektur sowie weiterer raumrelevanter Disziplinen darin zu schulen, die Logiken beider Herangehensweisen, die oftmals konträr zueinander laufen und doch miteinander verstrickt sind, unterscheiden zu lernen und die Vorzüge beider Herangehensweisen herauszuarbeiten und reflexionskompetent einsetzen zu können. Konkret wird gefragt: Wie können Planer, wie Gestalterinnen als Akteure in dieser gesellschaftlichen Gemengelage in Prozesse intervenieren, um die Qualität öffentlicher Räume bereits in den Prozessen ihrer Produktion aufzuwerten und ihren kreativen Beitrag zum gesellschaftlichen Interessenausgleich in den Städten zu leisten. Schließlich wird gefragt, auf welchen normativen Grundhaltungen, auf welchen fachpolitischen Positionierungen Planung sowie Gestaltung jeweils basieren und auf welchen sie – im Sinne einer demokratischen Stadtgesellschaft – gründen sollten.
Explorative Ansätze und Raumproduktion
In diesem Spannungsfeld liegt die Arbeit mit explorativen Ansätzen in Planung und Forschung dem Wirken des SKuOR als dritte Prämisse zugrunde. Hier geht es um das Thema von Innovationen in Planung und Forschung, gleichwie um die Frage, wie man mit veränderten Forschungs- und Lehrmethoden (z.B. spatial filming, action research) veränderte Herangehensweisen an räumliche Problemlagen hervorbringen kann. Diesem Ansatz liegt immer auch eine Reflexion der verschiedenen Raumverständnisse zu grunde, die das Handeln von Menschen beeinflussen und durch dieses hervorgebracht werden. Die Arbeit mit explorativen methodischen Ansätzen in der Raumforschung und Raumplanung ist daher als Plädoyer für eine permanente Reflexion über Raumkonzeptionen in Theorie und Praxis zu verstehen, deren Notwendigkeit sich mit dem kritischen Blick auf das Spannungsfeld zwischen wahrgenommenen, konzipierten sowie gelebten (öffentlichen) Räumen in gegenwärtigen Städten manifestiert.